Schottland 1986
Überfahrt nach Great Yearmouth
von Osnabrück aus fahren wir über die Autobahn nach Den Haag, ständiger Nieselregen begleitet uns und stimmt uns auf die Tour durch Schottland ein. Der Juni sollte nach Recherchen noch recht kühl sein und mit Regen nicht geizen. So können wir die Regenkombis testen, hoffen gleichzeitig dass wir sie nicht brauchen werden. In Den Haag angekommen fängt es an zu gießen, wir stehen lange Zeit in Regenkombis und Helmen neben den Motorrädern und warten bis der Regen weniger wird. Schließlich können wir die Zelte aufbauen und nach ein paar Stiefelbiere ist es auch schon Zeit in den Schlafsack zu sinken.
Am nächsten Morgen geht´s zum Hafen und wir verladen unsere Motorräder auf die Lkw-Fähre, die uns für 180,- DM incl. Mittagessen nach Great Yearmouth bringen soll. Wir haben uns eine Kabine gebucht, darin haben wir auch genug Platz für die ganzen Motorradklamotten und können uns auch mal hinlegen. Wir gehen auch gleich an Deck des Schiffes und sehen uns das Ablegen an. Es ist sonnig, ein ganz leichter Wind geht. Das Schiff hat etwas Seegang, obwohl die See optisch spiegelblank ist. Klaus geht es nicht so gut, er leidet an Seekrankheit und nur ab und zu kommt er an Deck, hält aber nicht lange durch. Wir genießen ansonsten das fulminante Mittagessen und den Blick auf das Meer.
Auf der Fähre treffen wir auf Steen, ein holländischer RT-Fahrer, der sich ein paar Tage im Norden Englands aufhalten möchte. Er kennt sich gut aus und lädt uns ein ihn dann an Land zu begleiten.
Nachdem die Fähre am späten Nachmittag im Hafen von Great Yearmouth anlegt, können wir zu den Motorrädern und müssen durch den Zoll. Wir müssen nicht nur die Papiere zeigten, sondern auch unser Koffer öffnen. Michael hat eine Tasche voll mit „Baked Beans in Tomato-Sauce“. Der Beamte grinst und bemerkt nur „what a marvolous stuff“ und lässt uns durch.
Wir fahren dann zu viert Richtung Norden. Steen kennt sich hier gut aus und fragt einen Bauern, ob wir auf seiner Wiese zelten dürfen. Das ist hier anscheinend kein Problem und wir folgen dem Tipp einige Male.
vom Hadrians Wall nach Edingburgh
Am Morgen verbschieden wir uns von Steen und wir packen die Motorräder. Wir fahren vorbei an New Castle auf kleinen Straßen und überqueren schließlich den Hadrian´s Wall. Das römisches Grenzbefestigungssystem nahe der heutigen Grenze zwischen Schottland und England in Großbritannien wurde zwischen 122 und 128 n. Chr. auf Anordnung Kaiser Hadrians erbaut. Der 117km lange Wall besteht aus zig Millionen kleinen Felsquadraten, und wurde in 1987 zum Weltkulturerbe.
Wir suchen immer wieder die kleinen Straßen unteranderem durch den Northumber Nationalpark. Es soll der am wenigsten besiedelte der britischen Nationalparks sein und ist Natur pur. Wir überqueren Flüsse über kleine Steinbrücken und machen in Galashiels kurze Pause. Irgendwann treffen wir in Edinburgh ein und besuchen das berühmte Schloss, jedoch ohne viel dabei zu empfinden, Fotos machen wir dort nur wenige.
Die Burg Edinburgh Castle gilt als eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Schottlands. Die Höhenburg steht im Zentrum von Edinburgh auf dem Castle Rock, einem Basaltkegel eines erloschenen Vulkans. Die Burg war mehrfach umlagert und umkämpft und jeweils von den anderen Parteien in Besitz genommen. Wir erkennen das an den verschiedenen An- und Umbauten aus den verschiedenen Epochen. Uns ist es aber auch zu voll und wir fahren zum nächstgelegenen Campingplatz.
Irgendwo habe ich mir einen Plattfuß eingehandelt und muss einen neuen Schlauch und Mantel einbauen. Das Rad war schnell ausgebaut und ich fahre in die Stadt zu einem Reifenhändler. Die Preise waren ein wenig zu hoch, aber was solls.
Weiter geht es über die Forth Bridge, eine zweigleisige Eisenbahnbrücke über den Firth of Forth – so eine Art Fjord. Wir fahren über enge Straßen und treffen immer wieder an den schönen Fjord, fahren durch eine grüne Hügellandschaft, hier und da ein Schloss, eine alte Burg und Dudelsackpfeifer an schönen Aussichtspunkten. Wir lassen Stirling links liegen.
durch das Highland
In Dunblane treffen wir auf die A85 und erreichen den Ben More (1182 m Höhe) biegen auf die A82 und durchkreuzen die West Highlands. Die Landschaft ist eine Mischung aus hohen Bergen, dunklen Seen, grünen Hügel und kargen Steinwüsten. Wir halten immer mal wieder um die Landschaft zu genießen. Mit dem Linksverkehr kommen wir jetzt auch gut zu recht, es ist hier auch nicht mehr schlimm, denn es kommt uns eher selten jemand entgegen.
In der Nähe von Fort Williams finden wir einen wunderbaren wilden Campingplatz. Wir fahren zunächst zu dem am Hügel liegenden Pub, um uns zu erkunden ob wir hier zelten dürfen. Dabei läuft mir ein kleiner Hund vor das Rad und ich muss abrupt bremsen. Es ist nix passiert aber der Schrecken sitzt. Mit einem großen „you are welcome“ wird unsere Frage beantwortet. Wir bauen die Zelte am kleinen Bach auf, der uns auch eine kleine Erfrischung bietet – wir waschen uns uns im Bach und genießen den Blick auf die Hügellandschaft.
Als Tausende von kleinen Fliegen uns am frühen Abend überfallen flüchten wir in den nahegelegenen Pub. Ein Gitarrist mit super schottischem Gesang und jede Menger Lager brachte super Stimmung. Als es später wird kommt ein Typ zu uns und fragte „who rode the SR500“. Ich gab mich zu erkennen und er nahm meine Hand, schüttelt sie kräftig, er entschuldigte sich zigmal für den „young crazy dog“ und gab zwei Runden Whisky aus. Das Gespräch über „woher und wohin“ und über die SR500 dauerte und war in dem Lärm schwierig zu verstehen – aber es war lustig.
Als der Gitarrist aufgrund der Sperrstunde nicht mehr spielen darf, geht ein Besucher auf die Bühne und singt laut „I´m sorry to say goodbye to my horse.“ Bald singen alle Gäste mit. Der Gesang geht langsam dann zu Ende, doch wir konnten uns trotz Sperrstunde noch einige Lager bestellen.
Bis in die frühen Morgenstunden verweilen wir im Pub und müssen lange ausschlafen, bevor wir wieder fahren dürfen.
Am Nachmittag fahren wir Richtung Invergarry über die A87 zum „Eilean Donan Castle“, der Stammsitz des schottischen Clans der Macrae. Die Burg liegt auf eine kleinen Insel am am Loch Duich und ist über eine steinerne Brücke zu erreichen. Sie gehört zu einen der berühmtesten Burgen Schottlands. Nicht nur wegen des Films der „Highlander – Es kann nur einen geben“, der die imposante Kulisse nutzte.
Sie ist eine Touristenattraktion sondergleichen, gerade als wir ankommen hält ein Bus mit einer Reisegruppe aus Texas. Eine schrille Lady in pinkem Kostüm spricht uns in texanischem Englisch an und will wissen welche Leistung unsere Motorräder haben, ach wie gerne würde sie mit uns fahren anstatt mit „that old folks“ im Bus zu setzen. Uns sind die 50 Besucher auch zu viel und belassen es mit einem Foto vor der Burg und wir suchen das Weite
zur Isle of Skye
wir nehmen die Fähre zur „Isle of Skye“. Die größte Insel der Inneren Hebriden wird auch Insel des Nebels genannt. Als wir von der Fähre rollen war es auf den Straßen noch nass doch die Sonne scheint. In der Nähe von Portree finden wir einen schönen Campingplatz, der neben einer grünen Wiese eine kleine Hütte bietet, in der wir auch schön warm duschen können – mehr gibt es aber auch nicht. Am Abend wird es kalt und wir können einen super Sonnenuntergang erleben.
Am Tag drauf unternehmen wir eine kleine Rundfahrt im südlichen Bereich der Insel und entdecken die regenreichste Insel Schottlands beim schönsten Wetter. Wir bestaunen die sanften Hügel, bizarren Gebirgsketten, Buchten, Strände, Lochs und das Meer bei Sonnenschein. Für Whisky Destillerien haben wir uns nicht interessiert, da wir lieber Bourbon mit Cola trinken. Wir haben nur einen kleinen Teil der Insel gesehen aber es ist ein beeindruckender Teil.
Normalerweise, so heißt es, regnet es auf der Insel an 360 Tagen im Jahr. Da haben wir Glück. Als wir die Insel auf der Fähre nach Kyle of Lochalsh verlassen kommt der Regen zur Insel zurück und wir suchen den Weg nach Norden.
nach Durness und zurück
Auf kleinen Wegen fahren wir ins Landesinnere nach und tanken in Achnashere, fahren nach kurzer Pause entlang dem Loch Docherty nach Gairloch. In der frischen Brise genießen wir Fish and Chips, das als „inoffizielles Nationalgericht“ des Vereinigten Königreiches gilt und aus in Backteigfrittiertem Fischfilet und dicken frittierten Kartoffelstäbchen besteht. Es ist lecker und fettig und man soll sogar Essig oder Worcester-Sauce darüber schütten, das wagen wir uns aber lieber nicht.
Entlang des abgelegenen Bucht Gruniard Bay erreichen wir den Loch Broom. Eine Fähre transportiert uns nach kurzer Wartezeit nach Ullapool, eine kleine niedliche Stadt, die 1788 als Hafen für den Heringsfang gegründet wurde. Wir kaufen hier das nötigste zum Essen ein und fahren weiter Richtung Norden. Wolken ziehen auf und es beginnt zu regnen.
Wir quälen uns bei starkem Regen über kleine Single Track Roads Richtung Norden. Wir haben so gut wie keinen Gegenverkehr, und wenn kann man ihn ausreichend früh erkennen und wir halten an den Passierbuchten. Der schwierigere Part auf den engen Straßen sind die Schafe, denen stört die Vorfahrtsregel überhaupt nicht. Sie stehen oft am Hang und gucken und springen im letzten Moment auf die Spur. Ich sehe kaum Landschaft, alles ist grau und einfarbig und das Visier beschlägt dauernd.
Schließlich erreichen wir unseren nördlichsten Punkt Schottlands, den Ort Durness. Der Regen hatte eine Pause eingelegt und wir bauen durchnässt und fast unterkühlt bei +2 °C schnell die Zelte auf, suchen die heiße Dusche auf und gehen schließlich in den beheizten Pub. Dort werden kleine Snacks angeboten und natürlich einige Sorten Lager.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne, ca. 14 °C. Sonnenschein ist etwas übertrieben – die Schotten spinnen, sie feiern in kurzer Hose und T-Shirt ihre Highland Games auf dem naheliegenden Sportplatz. Auf dem Spielfeld werfen kräftig gewachsene Männer im Schottenrock Baumstämme in die Luft. An anderer Stelle findet das Hammerwerfen und Tauziehen statt. Neben den traditionellen Highland-Sportarten finden an bestimmten Stellen Highland-Tänze statt, an den vier Ecken stehen Dudelsackspieler und dudeln was das Zeug hält. Zwischendurch marschiert die Musikkapelle über das Spielfeld und am Ende findet die Siegerehrung statt. Es ist für uns Festländer total lustig und toll anzusehen, die Schotten nehmen diese Spiele durchaus ernst, einige Spieler reisen von Game zu Game und sie verdienen damit ihren Unterhalt.
Am Nachmittag fahren durch die Gegend und besichtigen die berühmten Kalksteinhöhlen in der Nähe von Durness, Über 100m tief und etliche Meter weit dringen die Höhlengänge in die Kalkfelsen. Wir wagen uns an den Rand der Steilküste und wir gehen später runter zum Strand und wagen einen Blick in die Höhle. Die vordere Höhle ist ein gigantischer Steindom und mit einer Höhe von über 15m und 40m Breite können wir fast 60m tief in die Höhle vordringen. Danach geht es auf Holzstegen durch einen Tunnel auf eine Holzplattform in der zweiten Kammer. Durch ein Loch fällt ein Wasserfall in die Höhle, wir werden wieder mal nass. Weiter kommen wir auch nicht und gehen zurück zum Strand. Eine leichte Brise bei milden 17°C bläst uns entgegen und wir fahren zurück zum Campinglatz.
Die Zelte haben wir leicht feucht eingepackt und kaum sind wir unterwegs fängt es wieder an zu regnen. Uns treibt es über Single-Trackroads Richtung Süden. Auch auf dem Rückweg haben wir kaum Gegenverkehr, ist ja auch kein Wunder bei dem Wetter. Wir halten in einem kleinen Ort, wo wir einen Laden mit Tankstelle finden. Lebensmittel und Sachen, die der Farmer braucht werden hier angeboten.
Nach kurzer Tankpause fahren wir weiter nach Inverness, die Hauptstadt der Highland. Es gibt sicher einiges zu sehen, das Castle, die historischen Einkaufscenter und mehr. Wir beschränken uns auf einen Stadtbummel und finden in der Auslage einer Bäckerei ein richtiges Brot mit Körnern obendrauf – ha ha reingelegt, die Körner liegen eben nur obendrauf – drinnen ist es, wie alle anderen Brote, schneeweiß.
Inverness zeichnet sich durch eine wunderschöne Innenstadt aus mit langen überdachten Fußgängerzonen aus der viktorianischen Zeit. Bei dem Regen ist eine Überdachung auch sinnvoll und wir steigen wieder auf die Motorräder. Das Brot kann man gut verstauen – einfach zusammendrücken und ab in den Koffer.
Entlang des Loch Ness suchen wir nach dem Ungeheuer Nessie, das sagenumwobene Ungeheuer von Loch Ness. Leider oder Gott sei Dank ohne Erfolg. Nessie gibt es wirklich und es gibt über 1.000 Augenzeugenberichte und viele unerklärte Beweise, die Wissenschaftler bis heute verblüffen. Es muss ja was dran sein, selbst ein wissenschaftliches Institut beschäftigt sich damit, das Ungeheuer zu entdecken und damit den Touris das Geld aus der Tasche zu ziehen.
zum Süden England und Rückfahrt
Abends treffen wir wieder am Wildcamp in Fort Williams ein und bauen unsere Zelte auf, der Besuch in dem Pub dauerte diesmal aber nur 2 bis 3 Bier. Es ist auch nicht so voll und es gibt keine Live-Musik. Dafür regnet es die ganze Nacht und so soll es bleiben.
Von Fort Williams aus haben wir mit Schottland abgeschlossen und beenden den Urlaub mit dem Beginn der Rückfahrt. In heftigstem Regen fahren wir auf der Autobahn vorbei an Glasgow direkt in den Süden. Als wir die Stadt Salisbury passierten musste ich „Climbing up on Solsbury Hill“ unterm Helm singen und die Melodie blieb im Kopf, obwohl die beiden Orte nichts mit einander zu tun haben
Es regnete zwar nicht mehr, es ist aber frisch und wir erreichen Stonehenge. Der imposante Steinkreis von Stonehenge wird mit allen möglichen Legenden in Verbindung gebracht, die oftmals allerdings in einem anderen Zeitalter stattfanden. Es ist mystisch die in ca. 3000 v.C. zu umrunden und wir machen schöne Fotos.
Wir kommen schließlich in Brighton an. Die Stadt ist das größte und bekannteste Seebad Südenglands an der Küste des Ärmelkanals. Wir bummeln über den Brighton Palace Pier und entlang des bunten Strands. Nach der langen Pause setzen wir unsere Fahrt entlang der Südküste zum Fährhafen nach Dover. Wir warten knapp eine Stunde auf die Fähre nach Calais.
Ganz Europa ist mit einer Wolkendecke abgedeckt und es schüttet wie aus Eimern. Für die Fahrt bleibt uns nur die Autobahn, von Calais direkt nach Belgien, durch das Ruhrgebiet. Die Motorräder laufen, nur als wir in der Nähe von Duisburg einen Tankstopp einlegen springt meine SR nicht mehr an. Nach Durchsicht ist ein Kabelbruch am Zündkabel. Wir zwirbeln dickes Panzertape um den Bruch und nach kurzer Zeit läuft die SR wieder und die Autobahntortour geht weiter bis Osnabrück. Die Fahrt ist extrem – es regnet Bindfäden und irgendwann haben wir auch keine Lust mehr. Trotz des doofen Endes der Tour sind wir zufrieden – wir haben wir viel gesehen und erlebt.